Wagners Schicksal ist untrennbar mit der Stadt an der Elbe verbunden. Hier verbrachte er seine Kindheit, hier lebte die Familie seiner ersten Frau Minna Wagner, hier arbeitete er mehrere Jahre als Kapellmeister und hier entstanden einige seiner wichtigsten Opern. In Leipzig 1813 geboren, zog er einjährig mit seiner Mutter und sieben Geschwistern zum Stiefvater Ludwig Geyer (1779–1821) nach Dresden. Die Familie Wagner-Geyer wechselte in Dresden mehrmals das Quartier: Zunächst wohnten sie in der Moritzstraße 15, später am Neumarkt und schließlich in der Waisenhausstraße 24. Im Sommer mietete sich die Familie zeitweise in den Gasthof „Zu den drei Kronen“ am Linckeschen Bad ein, um kurze Wege zum Sommertheater zu haben. An dem Haus Bautzener Straße 60 ist eine Gedenktafel angebracht.
Geyer war als Schauspieler und Dichter eng mit Carl Maria von Weber befreundet und führte den kleinen Richard an das Theaterleben heran. Er förderte das Talent und die Begeisterung des Knaben für die Musik: So spielte Wagner vierjährig in dem Festspiel »Der Weinberg an der Elbe« von Weber »als Engel ganz in Trikots eingenäht, mit Flügeln auf dem Rücken« mit. Er besuchte als Kind auch Vorstellungen des Hoftheaters. Vor allem Webers »Freischütz« und Beethovens »Fidelio« ließen in dem Jungen den Wunsch reifen, selbst Komponist zu werden.
Nach dem Tod seines Stiefvaters wechselte Richard mehrmals den Wohnort, bis er 1822 wieder nach Dresden kam und hier die Kreuzschule besuchte. Nach einem Studium in Leipzig führte Wagner ziemlich klägliche Wanderjahre, die ihn durch halb Europa führten, aber keinen Erfolg brachten. Im Gegenteil: Wagner floh förmlich vor seinen Gläubigern, von denen er sich immer wieder Geld lieh. Seine Ehe mit der attraktiven Schauspielerin Minna Planer (1809–1866) verlief ebenfalls turbulent, da Minna ihn mehrmals betrog und über Nacht einfach mit Liebhabern verschwand. 1837 reiste Wagner ihr sogar nach Dresden nach, wo sie zu ihren Eltern geflüchtet war – man versöhnte sich und verbrachte in einem Gasthof in Blasewitz die zweiten Flitterwochen. Heute ist hier eine Gedenktafel angebracht, die an Wagners zwischenzeitlichen Aufenthalt erinnert (Seniorenzentrum »Am Blauen Wunder«, Schillerplatz 12). Doch Minna blieb Wagner nicht lange treu und brannte mit einem Kaufmann durch, mit dem sie anonym in einem Dresdner Hotel lebte – als Wagner ihn zum Duell herausfordern wollte, war er samt Minna mit unbekanntem Ziel verschwunden. Wagner folgte nun einem Angebot in Riga, wo er sich wiederum mit seiner Frau traf und versöhnte. Anschließend gingen sie gemeinsam nach Paris, wo sie ihre Hochzeitsgeschenke versetzen mussten, um überleben zu können.
1842 erhielt Wagner aus Dresden das Angebot, hier seine Grand Opéra »Rienzi« aufzuführen. Erst damit begann Wagners eigentliche Karriere. Er verließ Paris und stieg mit Minna im Hotel Stadt Gotha in der Schlossstraße 5 ab; später bezogen sie eine Wohnung in der Töpfergasse 6 und dann eine repräsentative und teure Residenz in der Waisenhausstraße 5. In Dresden, wo am 13. April 1841 der erste Opernbau von Gottfried Semper eröffnet worden war, fiel die Begrüßung etwas verhalten aus, doch der ungeheure Erfolg, den die Uraufführung des »Rienzi« mit sich brachte, überzeugte die Kritiker. Wagner hatte die Proben an sich gerissen und sang und spielte den verdutzten Sängern ihre Rollen vor. Es dirigierte der Hofkapellmeister Carl Gottlieb Reissiger. Wilhelmine Schröder-Devrient sang die Hauptrolle in der sechsstündigen Aufführung und wurde mit frenetischem Applaus belohnt. Die Oper wurde bald in ganz Europa gegeben und der Name des Komponisten war in aller Munde. Trotzdem änderte dies nichts an der finanziellen Situation Wagners, der durch ungeschicktes Verhandeln jegliche Rechte an seinem Werk verloren hatte. Deshalb musste er schließlich aus seiner luxuriösen Behausung in ein bescheideneres Appartement in die Marienstraße 9 umziehen.
Am 2. Januar 1843 brachte Wagner in Dresden seine Oper »Der fliegende Holländer« heraus, die beim Publikum jedoch durchfiel. Auch in Berlin stieß die Oper auf Ablehnung. Man hatte wieder eine Oper im Stil des »Rienzi« erwartet und war von der Neuartigkeit des durchkomponierten Werkes befremdet. Doch König Friedrich August II. wollte den talentierten Komponisten halten und bot dem Hochverschuldeten den Posten des »Königlich sächsischen Kapellmeisters« auf Lebenszeit mit 1.500 Talern Jahresgehalt an. Da Wagner zögerte, wurde er kurzerhand zu seiner Ernennungsfeier eingeladen und vereidigt. Die Wagners zogen nun wieder um und wohnten diesmal in der Ostra-Allee 6 (später 11). Wagner tauchte intensiv in das Dresdner Kulturleben ein, gewann viele Freunde und Gönner und schuf einen Künstlerkreis um sich herum. Er wurde Vorstand der »Dresdner Liedertafel«, eines Vereins von betuchten männlichen Laiensängern, die Wagner oftmals aus seiner finanziellen Misere halfen. Um sich für die aus Laien bestehende Liedertafel zu engagieren, komponierte er zum Musikfest der Sächsischen Männergesangsvereine sein gewaltiges Oratorium »Das Liebesmahl der Apostel«, das am 6. Juli 1843 mit 100 Orchestermusikern und 1.200 Sängern die Frauenkirche fast zum Erbeben brachte. Auch wenn Wagner selbst insgeheim dieses Projekt belächelte, so stärkte es doch ungeheuer sein Ansehen in der Stadt.
Finanziell geriet Wagner trotzdem immer tiefer in Bedrängnis. Er musste sich Geld bei der Sängerin Schröder-Devrient leihen, um seine Schuldner zu besänftigen. Außerdem versuchte er, durch den Druck seiner Opern die Situation zu verbessern – er schloss die Verträge mit dem Dresdner Verleger Mesner jedoch zu so ungünstigen Bedingungen ab, dass er die Druckkosten komplett selbst finanzieren musste und nicht am Gewinn beteiligt war. Wagners Schulden stiegen bis auf 20.000 Taler an – eine enorme Summe, die er kaum begleichen konnte.
Ende 1844 ließ er den Sarg Carl Maria von Webers nach Dresden überführen und komponierte für dessen Beisetzung Männerchöre und Bläserbearbeitungen mit Motiven aus Webers Oper »Euryanthe«. Seine Rede zu diesem Anlass war bewegend.
1845 beendete er in Dresden seinen »Tannhäuser«. Mit dieser Oper geriet er in Dresden zwischen politische Fronten. Zur Premiere fiel das Stück durch und Wagner hielt »den Tannhäuser schon für tot.« Doch nach der dritten Vorstellung, für die Wagner das unverständliche Ende seiner Oper abgeändert hatte, kippte die Stimmung und das Werk wurde auf einmal frenetisch gefeiert – endlich wieder ein Erfolg für den Komponisten! 1846 führte Wagner gegen den anfänglichen Widerstand der Hofkapelle Beethovens 9. Sinfonie zum Palmsonntag auf und machte durch seine fulminante Probenarbeit und Interpretation das bisher verkannte und unbeliebte Werk populär. Dafür hatte er gegen großen Widerstand das alte große Opernhaus am Zwinger umbauen lassen, damit die Sänger akustisch optimal präsent waren. Das Konzert wurde ein riesiger Erfolg und Wagner galt fortan als der Neuentdecker der 9. Sinfonie.
Im Sommer hatte sich die Familie in ein Landhaus in Graupa zurückgezogen, wo Wagners »Lohengrin« entstand und wo sich heute die Richard-Wagner-Stätten Graupa befinden. Dort machte er auch Bekanntschaft mit dem in Dresden geborenen Dirigenten Hans von Bülow (1830–1894), dessen Frau, Cosima Liszt (1837–1930), er 1863 zur Trennung bewegte und für sich selbst gewann.
Trotz der Erfolge gab es immer Querelen mit der Theaterleitung. Mit dem Intendanten Wolf Adolf August von Lüttichau (1785–1863) und dem Dramaturgen Karl Gutzkow (1811–1878) verstand sich Wagner kaum und sie behinderten seine Arbeit als Dirigent und die Aufführung seiner Werke, wo sie konnten. Eine Bitte um Gehaltserhöhung hatte Lüttichau durch ein schlechtes Gutachten einfach hintertrieben. Wagner versuchte hingegen durch Einreichung eines »Entwurfs zur Organisation eines deutschen Nationaltheaters für das Königreich Sachsen« die Position von Lüttichau zu kippen: Wagner forderte bessere soziale Bedingungen für die Musiker und die Wahl des Opernleiters durch das Personal. Sein Antrag verschwand allerdings ohne jegliche Reaktion in der Schublade Lüttichaus. Um den Spannungen am Opernhaus etwas zu entgehen, wechselte er erneut die Wohnung und zog in das Marcolini-Palais in der Friedrichstadt, wo er in idyllischer Umgebung seinen »Lohengrin« vollendete. Eigentlich wollte Wagner Dresden verlassen, doch sein offizielles Rücktrittsangebot wurde rigoros abgelehnt. Dann kam plötzlich die große Chance auf Veränderung: Am 25. Februar erreichte Wagner die Nachricht von der Revolution in Frankreich. Langsam ließ er sich von den revolutionären Ideen anstecken, die vor allem durch seinen Freund August Röckel vertreten wurden, und folgte damit auch seinem eigenen Wunsch nach Veränderung. Wagner forderte die »sofortige Volksbewaffnung«, die »Territorialreform der deutschen Staaten« und die Anklage der Fürsten, falls sie Widerstand leisten sollten. Seine Gedanken veröffentlichte er zudem im »Dresdner Anzeiger« und trug sie lautstark auf der Versammlung des Dresdner Vaterlandsvereins vor. Wagner erbat sich nun Urlaub und reiste zunächst nach Wien.
Nach seiner Rückkehr nach Dresden veröffentlichte er anonym weitere Artikel, in denen er unter anderem die Abschaffung des Adels forderte. Als König Friedrich August II. die am 3. April 1849 beschlossene Frankfurter Reichsverfassung nicht anerkannte, kam es zum Maiaufstand, bei der Dresdner Bürger auf die Straßen gingen und gegen das königstreue Militär protestierten. Die Stadt wurde nun zum Belagerungsort mit Straßenbarrikaden, Bränden und Toten. Wagner ließ sich in der Menge zum Rathaus treiben, wo er die Bewaffnung der Bevölkerung vorantrieb und sich kurzerhand Jagdgewehre von dem Hofoperntenor Josef Alois Tichatschek (1807–1886) ausborgte und verteilte. Der König floh auf den Königsstein, doch bald rückten preußische Soldaten an, um die Unruhen niederzuschlagen. Die Aufständischen sicherten die Innenstadt durch Barrikaden. Wagner verteilte Handzettel unter den kämpfenden Soldaten und forderte sie zum Überlaufen aus.
Am 7. Mai brannte das Opernhaus in den Wirren der Revolution ab. Die Aufständischen hatten es aus strategischen Gründen angezündet, um die herannahenden preußischen Truppen aufzuhalten. Wagner brachte jetzt seine Frau in Sicherheit und schickte sie nach Chemnitz zu seiner Schwester Clara. Um den Ausgang der Kämpfe doch noch zu wenden, fuhr er am 9. Mai mit dem Revolutionär Michail Bakunin (1814–1876) ins Erzgebirge, um aufständische Bauern zur Verteidigung Dresdens zu gewinnen. Nur durch Zufall konnte Wagner einer Verhaftung in Chemnitz entgehen – seine Weggefährten wurden festgenommen und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Dresdner Revolution war gescheitert. Der Aufstand hinterließ insgesamt 253 Tote, ein abgebranntes Opernhaus, eine verwüstete Stadt und ein entzaubertes Königshaus, das mit Härte gegen die Aufständischen vorgegangen war.
Wagner war jetzt eine Persona non grata. Er flüchtete nach Weimar, wo er sich Hilfe von dem Pianisten Franz Liszt (1811–1886) erhoffte. Liszt empfing den Verfemten wie einen Staatsgast und verhalf ihm nach Veröffentlichung eines Steckbriefes zur weiteren Flucht in die Schweiz und nach Frankreich. In Dresden war indes die Wohnung des Kapellmeisters wüst durchsucht und zerwühlt worden – Minna, die zwischenzeitlich nach Dresden zurückkehrte, war schockiert und überhäufte den geflohenen Ehemann mit Vorwürfen. Im September 1849 reiste sie nach Zürich und brachte dem wartenden Komponisten die erhofften Partituren und Skizzen. Seine Büchersammlung war hingegen von dem Gläubiger Heinrich Brockhaus (1804–1874) komplett beschlagnahmt worden; 1975 wurde sie an die Bibliothek der Richard-Wagner-Stiftung übergeben. Trotzdem stand Wagner weiterhin in Beziehung zu Dresden. In den folgenden Monaten, die wieder von großen Geldsorgen gekennzeichnet waren, sandte ihm eine vermögende Dresdner Witwe jährlich zur Unterstützung 800 Taler und gewährleistete damit sein Grundeinkommen. Der Haftbefehl gegen Wagner wurde erst 13 Jahre später aufgehoben. Dies ermöglichte ihm einen Besuch in Dresden vom 3. bis 7. November 1862. Während des Aufenthaltes ließ er sich von seiner Frau Minna scheiden, um frei für Cosima von Bülow zu sein, die er danach ehelichte. Mit Cosima besuchte er Dresden nochmals 1871 und 1881, wo sie im Hotel Bellevue, das unmittelbar in der Nähe der Semperoper stand, logierten. Wagner zeigte seiner Frau Cosima all die Orte, die für ihn in Dresden bedeutsam waren, u. a. auch den Keppgrund und Webers Wohnhaus.
Am 8. September 1881 besuchten sie auch Graupa, wo sich heute im Jagdschloss und im sogenannten »Lohengrinhaus« die Richard-Wagner-Stätten mit Museun befinden. In unmittelbarer Nähe des Lohengrinhauses wurde eine Wagner-Büste aus Bronze durch den Bildhauer Richard Guhr (1873–1956) geschaffen. Ein Spaziergang von dort führt in den Liebthaler Grund, wo der gleiche Bildhauer das erste Wagner-Denkmal überhaupt und das größte zugleich schuf: eine 8 Meter hohe Bronzestatue, die auf einem vier Meter hohen Sockel thront. Der eigentlich kleinwüchsige Wagner, der vermutlich nur 1,60 m groß war, wird bei diesem Denkmal von fünf vor ihm knieenden Figuren umringt: sie verkörpern das sphärische, das lyrische, das dramatische, das dionysische und das dämonische Element seiner Musik. Bis heute zählen Richard Wagners Werke zum Standardrepertoire und die Sächsische Staatsoper Dresden pflegt damit das Erbe dieses mit Dresden so eng verbundenen Komponisten.
Quelle: Petrick, Romy: Das musikalische Dresden, Dresden 2012