Dresdner Romantikweg  Auf den Spuren der Romantik
 

Heinrich Marschner in Dresden

Der in Zittau geborene Komponist Heinrich August Marschner (1795–1861) ist heute fast ganz in Vergessenheit geraten. Seine großen Opern »Der Vampyr« und »Der Templer und die Jüdin«, die 1828/29 in Leipzig uraufgeführt wurden, gelten als Bindeglieder zwischen den Werken Webers und Richard Wagners.

Der begabte Marschner stammte aus einfachen Verhältnissen und erhielt früh seinen ersten Musikunterricht. 1807 zog er nach Bautzen, wo er ein Stipendium der heute wieder bestehenden Mättig-Stiftung erhielt. Er studierte in Leipzig Jura und nahm Kompositionsunterricht beim Thomaskantor Johann Gottfried Schicht (1753–1823), der ihm zu einer musikalischen Laufbahn riet. Durch Empfehlungen und mit Hilfe eines adligen Mäzens reiste Marschner 1815 nach Wien, wo er Beethoven traf. Danach arbeitete er als Musiklehrer bei einem Adligen in Pressburg und komponierte seine erste Oper »Heinrich IV. und D'Aubigné«, die 1820 unter Carl Maria von Weber in Dresden aufgeführt wurde. Der Achtungserfolg bewog Marschner, 1821 nach Dresden zu ziehen, wo ihn anfangs eine Freundschaft mit Weber verband, die jedoch bald abkühlte.

Marschner wohnte mit seiner Frau auf der Kreuzgasse. Er bezog sein Einkommen durch Klavierunterricht und Notenverkäufe. Der junge Komponist verkehrte in einflussreichen Dresdner Adelskreisen, die Konzerte mit ihm veranstalteten. Es entstanden weitere Bühnenwerke: »Schön Ella«, das komische Singspiel »Der Holzdieb«, nach Texten des Freischütz-Dichters Friedrich Kind (1768–1843), und 1823 »Ali Baba«. Alle drei Stücke fielen allerdings beim Publikum durch. 1824 bekam Marschner ein Stellenangebot aus Amsterdam. Um Marschner nun in Dresden zu halten, bot man ihm probeweise für den erkrankten Francesco Morlacchi (1784–1841) die Musikdirektorenstelle der italienischen Oper an. Dadurch verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Marschner und Weber, der lieber seinen Jugendfreund Johann Gänsbacher (1778–1848) in dieser Position gesehen hätte. Doch Marschner konnte sich vor der Hofkapelle behaupten, die ihn am 11. September 1824 für ein Jahresgehalt von 500 Talern fest verpflichtete. Persönlich wurde Marschner von einem schweren Schicksalsschlag getroffen: Seine zweite Frau starb im Dezember 1825 und er musste nun selbst für seinen einjährigen Sohn sorgen. Deshalb heiratete er schon ein halbes Jahr später die Sängerin Marianne Wohlbrück (geb. 1806).

Als Carl Maria von Weber im Juni 1826 starb, machte sich Marschner Hoffnung auf die vakant gewordene Leitung der deutschen Oper, doch bereits wenige Tage später wurde er enttäuscht, als er schriftlich eine Absage erhielt. Dieser offene Affront veranlasste Marschner zur sofortigen Kündigung. Mit seiner Frau Marianne begann jetzt eine Wanderzeit, bis sie in Leipzig eine feste Stelle als Sängerin erhielt. Marschner hatte inzwischen seine Oper »Der Vampyr« komponiert, die am 28. März 1828 in Leipzig uraufgeführt wurde. Mit einem Schlag war er berühmt: Sein Werk wurde enthusiastisch gefeiert und 1828 allein in London 60-mal gegeben. Bereits im Jahr darauf vollendete Marschner die Oper »Der Templer und die Jüdin«, die am 29. Dezember in Leipzig Premiere hatte. 1831 erhielt Marschner die Stelle des Kapellmeisters in Hannover. Hier entstand sein bedeutendstes Werk »Hans Heiling« nach einem Libretto des Schauspielers Philipp Eduard Devrient (1801–1877). Die Oper wurde am 24. Mai 1833 in Berlin erstmals gespielt. Sie hatte wieder ungeheuren Erfolg. In Leipzig verlieh man Marschner 1834 die Ehrendoktorwürde. Seine nachfolgenden Opern waren weniger erfolgreich; seine Werke wurden jetzt von Giacomo Meyerbeer (1791–1864) und Richard Wagner (1813–1883) überstrahlt und verdrängt. Bis 1859 blieb Marschner Kapellmeister in Hannover, wo er 1861 verstarb. Heute erinnert in Dresden lediglich die Heinrich-Marschner-Straße an den zeitweise so beliebten Komponisten.

Quelle: Petrick, Romy: Das musikalische Dresden, Dresden 2012